Aufgrund der vielfachen Nachfrage findet sich im Folgenden die aktuelle Auffassung des HBDI zur Abgrenzung des Anspruchs aus Art. 15 DS-GVO und § 630g BGB.
A. Inhalt des Anspruchs nach Art. 15 DS-GVO
Art. 15 Abs. 1 DS-GVO beinhaltet ein Recht auf Auskunft über die personenbezogenen Daten des Betroffenen sowie über die in Art. 15 Abs. 1 lit. a bis h DS-GVO und Abs. 2 DS-GVO näher beschriebenen Informationen. Art. 15 Abs. 3 DS-GVO normiert ein Recht auf Kopie der personenbezogenen Daten.
Einen Anspruch auf Herausgabe einzelner Kopien, z. B. im Sinne einer Fotokopie bestimmter Dokumente, enthält Art. 15 Abs. 3 DS-GVO in aller Regel jedoch nicht. Vielmehr ist der Kopie-Begriff des Art. 15 Abs. 3 DS-GVO im Sinne einer sinnvoll strukturierten Zusammenfassung zu verstehen.
Dem Betroffenen müssen daher nicht sämtliche, ihn betreffenden Dokumente in Kopie zur Verfügung gestellt werden – schließlich spricht auch der Wortlaut von Art. 15 Abs. 3 Satz 1 DS-GVO lediglich von einer Kopie der „personenbezogenen Daten“ und gerade nicht von einer Kopie der Unterlagen, Dokumente oder Akten, in denen diese enthalten sind (so Möhrke-Sobelewski/Arend in: PinG 06.19, Seite 245, 247 – Vertiefend zum Umfang des Auskunftsanspruchs nach Art. 15 DS-GVO siehe: Der Hessische Beauftragte für Datenschutz und Informationsfreiheit, 47. Tätigkeitsbericht 2017/2018Öffnet sich in einem neuen Fenster, Seite 75 ff.).
B. Inhalt des Anspruchs nach § 630g BGB
Hiervon zu unterscheiden ist der Anspruch des Patienten auf Einsicht in die ärztlichen Patientenunterlagen nach § 630g BGB.
Nach § 630g BGB hat der Patient das Recht auf Kopie der gesamten Akte unter den Voraussetzungen der Absätze 1 und 2. Dies sind vor allem der therapeutische Vorbehalt und Rechte Dritter: „soweit der Einsichtnahme nicht erhebliche therapeutische Gründe oder sonstige erhebliche Rechte Dritter entgegenstehen“, aber auch die Kostenerstattung: „[Der Patient] hat dem Behandelnden die entstandenen Kosten zu erstatten.“
Diese Norm hat der Bundesgesetzgeber trotz der Vorschrift des Art. 15 DS-GVO nicht geändert.
C. Verhältnis der beiden Normen zueinander
Zwar ist es in Hinblick auf den therapeutischen Vorbehalt vertretbar davon auszugehen, dass § 630g BGB eine zulässige Beschränkung des Art. 15 DS-GVO gem. Art. 23 Abs. 1 lit. i) DS-GVO darstellt (Schutz der betroffenen Person), im Hinblick auf die Kostenerstattung wäre diese Beschränkung jedoch unzulässig. Es ist daher davon auszugehen, dass der Bundesgesetzgeber in der Akteneinsicht nach § 630g BGB eine von dem Auskunftsanspruch und dem Recht auf Kopie des Art. 15 DS-GVO unabhängige Regelung mit anderem Inhalt und anderem Zweck sieht. § 630g BGB ist damit keine Einschränkung des Rechts auf Auskunft nach Art. 15 DS-GVO. Die Norm dient anderen Patienteninteressen als Art. 15 DS-GVO. So erleichtert eine gut geführte Patientenakte den Arztwechsel, weil sie dem übernehmenden Mediziner die Anknüpfung an das zuvor Geleistete erleichtert und dadurch die nochmalige Durchführung diagnostischer oder therapeutischer Maßnahmen vermeiden hilft. Auch die Beweissicherungsfunktion der Dokumentation bzw. ihre Funktion als Beweismittel in einem Arzthaftungsprozess ist vom Gesetzgeber anerkannt worden. In vielen Prozessen lassen sich die Krankengeschichte und der Behandlungsverlauf nur mit Hilfe der Patientenakte nachvollziehen. Erst aufgrund dieser Nachvollziehbarkeit kann von einem sachverständig beratenen Gericht beurteilt werden, ob dem Arzt eine Sorgfaltspflichtverletzung unterlaufen ist oder nicht (Wagner in: MüKo BGB § 630f Rn. 3 f.). Auf die Berichtigung oder Löschung der Akte hat der Patient gerade keinen Anspruch.
Dem widersprechen auch nicht die in ErwG 63 Satz 2 enthaltenen Ausführungen, dass die betroffene Person das Recht auf Auskunft über ihre eigenen gesundheitsbezogenen Daten hat, etwa Daten in ihren Patientenakten, die Informationen wie beispielsweise Diagnosen, Untersuchungsergebnisse, Befunde der behandelnden Ärzte und Angaben zu Behandlungen oder Eingriffen enthalten. Denn diese sollen der betroffenen Person zu den in Satz 1 des ErwG genannten Zwecken zur Verfügung gestellt werden, namentlich um sich der Verarbeitung bewusst zu sein und deren Rechtmäßigkeit überprüfen zu können.
ErwG 63:
„1Eine betroffene Person sollte ein Auskunftsrecht hinsichtlich der sie betreffenden personenbezogenen Daten, die erhoben worden sind, besitzen und dieses Recht problemlos und in angemessenen Abständen wahrnehmen können, um sich der Verarbeitung bewusst zu sein und deren Rechtmäßigkeit überprüfen zu können. 2Dies schließt das Recht betroffene Personen auf Auskunft über ihre eigenen gesundheitsbezogenen Daten ein, etwa Daten in ihren Patientenakten, die Informationen wie beispielsweise Diagnosen, Untersuchungsergebnisse, Befunde der behandelnden Ärzte und Angaben zu Behandlungen oder Eingriffen enthalten. 3Jede betroffene Person sollte daher ein Anrecht darauf haben zu wissen und zu erfahren, insbesondere zu welchen Zwecken die personenbezogenen Daten verarbeitet werden und, wenn möglich, wie lange sie gespeichert werden, wer die Empfänger der personenbezogenen Daten sind, nach welcher Logik die automatische Verarbeitung personenbezogener Daten erfolgt und welche Folgen eine solche Verarbeitung haben kann, zumindest in Fällen, in denen die Verarbeitung auf Profiling beruht.“
Weitergehende Zwecke, wie die des § 630g BGB, werden hier nicht genannt.
Es muss daher grundsätzlich zur Erfüllung des Anspruchs aus Art. 15 Abs. 1 und 3 DS-GVO reichen, wenn die in ErwG 63 genannten Daten vom Verantwortlichen zusammengefasst werden. Aus Praktikabilitätsgründen dürfen die Verantwortlichen sich hier aber auch für die Herausgabe von gesamten Dokumenten entscheiden, wie z. B. für die Herausgabe eines Arztbriefs, der die Behandlung eines mehrtägigen Krankenhausaufenthalts zusammenfasst inklusive aller Befunde und Diagnosen. Die Kopie der gesamten Krankenhausakte des Patienten wäre aber nur nach § 630g BGB herauszugeben. Der Anspruch des Art. 15 DS-GVO kann andersherum auch nachträglich vom Patienten durch den umfassenderen Anspruch aus § 630g BGB ergänzt und erweitert werden.
Im Übrigen hat auch der Hessische Gesetzgeber in seinem § 33 Abs. 4 HDSIG deutlich zum Ausdruck gebracht, dass er in dem Auskunftsanspruch nach Art. 15 DS-GVO keinen Akteneinsichtsanspruch sieht. Denn hier heißt es: „Statt einer Auskunft über personenbezogene Daten kann der betroffenen Person Akteneinsicht gewährt werden.“ Eine solche Formulierung wäre widersinnig, wäre die Aktensicht bereits in Art. 15 DS-GVO vorgesehen.