Plenarsaal des Hessischen Landtages

Der Hessische Beauftragte für Datenschutz und Informationsfreiheit

26. Wiesbadener Forum Datenschutz: Der Europäische Gerichtshof als Gestalter des Datenschutzrechts

Zum 26. Mal veranstalteten der Hessische Beauftragte für Datenschutz und Informationsfreiheit (HBDI) und die Präsidentin des Hessischen Landtages am 7. März 2024 gemeinsam das Wiesbadener Forum Datenschutz. Die Fachtagung im Plenarsaal des Landtags trug in diesem Jahr den Titel „Der Europäische Gerichtshof als Gestalter des Datenschutzrechts“. Trotz teils erschwerter Anreise aufgrund des Bahnstreiks hatten sich etwa 150 Interessierte aus Wirtschaft, Wissenschaft und Politik im Hessischen Landtag eingefunden.

Landtagspräsidentin Astrid Wallmann begrüßte die Anwesenden und hob die Bedeutung der Tagungsreihe hervor: „Das alljährlich in unserer Landeshauptstadt stattfindende Fachforum beleuchtet immer aktuelle und zentrale Herausforderungen und Fragestellungen des Datenschutzes. So auch in diesem Jahr, denn das Thema ‚Der Europäische Gerichtshof als Gestalter des Datenschutzrechts‘ besitzt eine besondere Relevanz für die konkrete Ausgestaltung und Weiterentwicklung des Datenschutzrechts in Hessen, Deutschland und Europa. Ich bin sehr froh, dass wir mit dem Wiesbadener Forum Datenschutz ein etabliertes und weit über die Grenzen Hessens anerkanntes Format anbieten können, das immer wieder neue Impulse mit Blick auf den Datenschutz gibt“, so Wallmann.

In seiner Einführung erklärte der HBDI Prof. Dr. Alexander Roßnagel, dass die Datenschutz-Grundverordnung (DS-GVO) vor beinahe acht Jahren erlassen worden sei, um das Datenschutzrecht in Europa zu vereinheitlichen und den Datenschutz für die aktuellen Herausforderungen zu ertüchtigen. Da darin allerdings viele Datenschutzprobleme nur hochabstrakt geregelt seien, sei ihre Umsetzung in fast allen Bereichen auf Konkretisierungen angewiesen. Aufgrund der Zurückhaltung des europäischen Gesetzgebers falle die unionsweite und -einheitliche Fortentwicklung des Datenschutzrechts dem Europäische Gerichtshof (EuGH) zu. Im Rahmen der Veranstaltung solle daher erörtert werden, so Roßnagel, ob der EuGH diese Herausforderung annimmt, ob er hierfür gerüstet ist und ob die bisherigen Entscheidungen erkennen lassen, wie er diesen Herausforderungen gerecht wird. Zur Erörterung dieser Fragen hatte der HBDI fünf Expertinnen und Experten auf dem Gebiet des europäischen Datenschutzrechts eingeladen.

Prof. Dr. Christoph Krönke von der Universität Bayreuth beleuchtete in seinem Vortrag die Frage, welche Rolle der EuGH grundsätzlich in der Fortentwicklung des Datenschutzrechts spielt. Dabei seien vom Europäischen Gerichtshof in Datenschutzfragen keine weitreichenden Richtungsentscheidungen zu erwarten, sondern vielmehr viele kleine Entscheidungen mitunter auch mit überraschendem Ausgang. Der Gerichtshof spreche im letzten Jahr in Datenschutzfragen etwa 30 Urteile und konkretisiere damit regelmäßig Regelungen der DS-GVO.

Prof. Dr. Anne Paschke von der Technischen Universität Braunschweig betonte in Ihrem Vortrag, dass die DS-GVO die Zulässigkeit der Verarbeitung personenbezogener Daten mit unbestimmten Rechtsbegriffen definiere. In zahlreichen Urteilen habe der EuGH den Anwendern hierzu konkrete Anhaltspunkte zur Auslegung der DS-GVO an die Hand gegeben. Allerdings, so Paschke weiter, werde „nur ein verschwindend geringer Bruchteil aller Rechtsfragen in Bezug auf die Erlaubnistatbestände vor den EuGH gebracht“. Daher sei es „eben nicht nur dieses Gericht, das den Datenschutz in Bezug auf die Zulässigkeit der Datenverarbeitung gestaltet. Vielmehr gilt dies für jeden Rechtsanwender, jedes Gericht und jede Datenschutzaufsichtsbehörde, die die DSGVO durch ihr Handeln mit Leben füllt“, wie Paschke hervorhob.

Mit der Sicht des EuGH auf die Verantwortung der Verantwortlichen setzte sich Prof. Dr. Tobias Herbst auseinander. Der Professor für Staats- und Europarecht an der Hochschule für Polizei und öffentliche Verwaltung Nordrhein-Westfalen beleuchtete in seinem Vortrag zahlreiche Aspekte der Auslegung des Begriffs des Verantwortlichen durch den EuGH – so etwa das Verhältnis von Verantwortlichen zu Auftragsverarbeitern oder die Frage der Sanktionierung von Unternehmen als Verantwortliche, die der EuGH zuletzt im Zusammenhang mit dem Immobilienunternehmen „Deutsche Wohnen“ behandelt hat.

Von der Ausgestaltung der Rechte der betroffenen Personen handelte der Vortrag von Dr. Alexander Dix von der Europäischen Akademie für Informationsfreiheit und Datenschutz. Der ehemalige Berliner Datenschutzbeauftragte befasste sich insbesondere mit dem Recht auf Vergessen bzw. Vergessenwerden und dem Recht auf Auskunft bzw. Kopie. Er betonte, dass es nicht darauf ankomme, zu welchem Zweck Betroffene ihre Rechte geltend machten, da Betroffenenrechte immer zweckunabhängig seien. Wie zuvor schon Prof. Paschke stellte er fest, dass der EuGH, um seine Rolle als „Motor“ der Harmonisierung des Datenschutzrechts wahrnehmen zu können, auf Vorlagen der europäischen Instanzgerichte als „Treibstoff“ angewiesen sei.

Zuletzt beleuchtete der ehemalige Hamburgische Datenschutzbeauftragte Prof. Dr. Johannes Caspar die Rolle, die der EuGH den Aufsichtsbehörden zuweist. Im Mittelpunkt seines Vortrags stand dabei der Begriff der Unabhängigkeit, den der EuGH etwa in einem Urteil mit Bezug auf die deutschen Aufsichtsbehörden 2010 konkretisiert habe. Diese Unabhängigkeit, so Caspar, könne etwa durch Parlamente eingeschränkt sein, die Landesdatenschutzbeauftragte wählten und über die Ausstattung der Behörden entschieden. Er zeigte sich überzeugt davon, dass der EuGH auch in Zukunft Impulse für die Ausgestaltung der Unabhängigkeit der Aufsichtsbehörden liefern werde. Dies sei wichtig, um der „Erlahmung des Rechtsstaats“ gegenüber wachsender Politikverdrossenheit entgegenzuwirken.

In seinem abrundenden Schlusswort ergänzte der HBDI das Ergebnis um die Feststellung, dass der EuGH als einziges Gericht zu einer Harmonisierung des europäischen Datenschutzrechts beitragen könne, weil alle Instanzgerichte grundsätzlich von ihren jeweiligen nationalen Rechtskulturen geprägt seien und daher nur der EuGH aufgrund seiner internationalen Stellung für eine Vereinheitlichung sorgen könne. 

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