Prof. Dr. Alexander Roßnagel

Wiesbadener Forum Datenschutz

Das Wiesbadener Forum Datenschutz fand erstmalig im Jahr 1992 statt. Es wird im Hessischen Landtag von der Präsidentin des Hessischen Landtags und dem Hessischen Datenschutzbeauftragten veranstaltet. Einer breiten Öffentlichkeit soll an aktuellen Fragestellungen vermittelt werden, welche besonderen Facetten, Antworten und Konsequenzen das Recht auf Schutz der persönlichen Daten heute haben kann.

Stärkung der Forschung durch Datenschutz

Unter dem Titel „Stärkung der Forschung durch Datenschutz“ fand am 6. Oktober 2022 anlässlich der Jubiläumsfeier zu 50 Jahre Datenschutz in Hessen das 25. Wiesbadener Forum Datenschutz statt. Zu der Veranstaltung hatten der Hessische Beauftragte für Datenschutz und Informationsfreiheit (HBDI) Prof. Dr. Alexander Roßnagel und die Präsidentin des Hessischen Landtages Astrid Wallmann.

Das Thema des Forums erläuterte Roßnagel im Vorfeld der Veranstaltung: „Vielfach werden Forschung und Datenschutz als gegensätzliche Interessen gesehen. Beide aber, die Forschungs-freiheit und die informationelle Selbstbestimmung sind Grundrechte. Sie bedürfen einer Zuordnung, die das jeweils andere Grundrecht möglichst wenig einschränkt. Gelingt diese Zuordnung, können sie sich gegenseitig ergänzen und befördern. Forschung ist auf Vertrauen angewiesen, wenn betroffene Personen den Forschenden ihre Daten anvertrauen sollen. Eine wesentliche Grundlage für Vertrauen ist ein überzeugender Datenschutz. Daher verfolgt das 25. Forum Datenschutz die Fragestellung, wie Forschung und Datenschutz das gemeinsame Ziel eines menschwürdigen Fortschritts durch verantwortungsvolle Datennutzung erreichen können.“

Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts für eine zeitgemäße Datenschutzkultur in Deutschland

Der Datenschutz hatte in der jüngsten Vergangenheit unerwünschte Konjunktur. Datenschutzskandale im privaten Bereich lösten Versuche des Staates ab, den Datenschutz unter Berufung auf die Sicherheitslage zu relativieren. In dieser Situation erwies sich das Bundesverfassungsgericht einmal mehr als oberste Datenschutzinstanz der Nation. In Fortentwicklung früherer Judikate stützte es die informationelle Selbstbestimmung auf Art. 2 Abs. 1 und Art.1 Abs. 1 GG und ermöglicht so graduelle Abstufungen bei der Intensität des Datenschutzes. Gleichwohl wurde diese Rechtsprechung von Seiten der Staatspraxis als praxisfremd kritisiert. Das 17. Forum Datenschutz bot dem Präsidenten des Bundesverfassungsgerichts die Gelegenheit sich dieser Kritik zu stellen und die dogmatischen Grundlagen des Datenschutzes in der Rechtsprechung des Gerichts aufzuzeigen. Die folgenden Beiträge zeigen, dass man die Diskussion auf angemessenem Niveau kontrovers und dennoch rational führen kann. Zugleich sind die alljährlich stattfindenden Foren der beste Beleg für die Datenschutzkultur in Hessen, dem Mutterland des Datenschutzes.

Privatheit und Datenschutz

Die Privatheit ist ein Rechtsgut mit Verfassungsrang, das schon anerkannt war, ehe die informationelle Selbstbestimmung im Grundgesetz verortet wurde. Im Zusammenhang mit dem Recht auf Privatheit entwickelte das Bundesverfassungsgericht die „Kernbereichslehre“, die es auf die informationelle Selbstbestimmung übertrug. Dadurch entstand das Missverständnis, bestimmte Räume innerhalb der Wohnungen seien absolut geschickt, während außerhalb des Wohnbereichs kein Raum für Privatheit verbleibe. Das 16. Wiesbadener Forum Datenschutz diente dazu, dieses Missverständnis auszuräumen.

Informationsfreiheit und Datenschutz

Die für den freiheitlichen Verfassungsstaat konstitutive informationelle Selbstbestimmung ist ambivalent. Einmal dient sie der Abwehr von unberechtigten Zugriffen auf personenbezogene Daten. Zum anderen setzt jede selbstbestimmte Lebensgestaltung den Zugang zu möglichst vielen Daten voraus. Wissen ist Macht, Informationsdefizite machen ohnmächtig. Im Wettbewerb der Kulturen dürfte im Globalisierungszeitalter der Informationsgrad der Bevölkerung den Ausschlag geben. Dessen ungeachtet kann nur ein informiertes Staatsvolk die Ausübung der Staatsgewalt mit legitimierender Wirkung auf Repräsentanten übertragen. Der durch die automatisierte Datenverarbeitung exponentiell gewachsene informationszuwachs der staatlichen Organe muss daher nicht nur datenschutzrechtlich in Schranken gehalten werden. Vielmehr stellt sich die Frage, ob der Informationsvo rsprung der Verwaltung durch Informationsrechte der Bürgerinnen und Bürger gegenüber der Verwaltung kompensiert werden müsste und sollte, wie dies durch das Informationsfreiheitsgesetz des Bundes und entsprechende Gesetze einiger Bundesländer bereits geschehen ist.

Veränderte Sicherheitslage und Datenschutz im europäischen Staatenverbund

Der Ausbau des europäischen Staatenverbundes als einer Freiheitsordnung schreitet trotz gelegentlicher Rückschläge für die europäische Entwicklung voran. Freiheit erfordert Garantien vor hoheitlichen Eingriffen, aber zugleich Sicherheit und Schutz vor Eingriffen durch Private. Vor allem mit Blick auf den internationalen Terrorismus und die organisierte Kriminalität steht in jüngster Zeit der Sicherheitsaspekt im Vordergrund. Weltweit und auch in Europa hat sich die Sicherheitslage verändert. Auf europäischer Ebene wurden nicht zuletzt deswegen verschiedene Sicherheitsbehörden (z.B. Europol, Eurodac, Eurojust) sowie Informationssysteme (Schengener Informationssystem, Visainformations system) geschaffen. Im Interesse der Effektivität der staatlichen Sicherheitsgewährleistung wird die Zusammenarbeit der Sicherheitsbehörden in den EU-Mitgliedstaaten (z.B. Europäischer Haftbefehl) vorangetrieben bis hin zur Forderung nach Vernetzung nationaler Informationsbestände. Damit erlangt der Datenschutz Brisanz. Der Datenschutz als Tragpfeiler einer freiheitlichen Rechtsordnung darf selbst dann nicht unter die Räder kommen, wenn sich diese Rechtsordnung im Krieg mit internationalen Terroristen befinden sollte, weil diese sonst bereits einen Teilsieg errungen hätten. Auch unter veränderter Sicherheitslage gilt es, die Fahnen des Datenschutzes hoch zu halten und mit neuen Konzepten auf die Herausforderungen zu reagieren. Auf dem 14. Wiesbadener Forum Datenschutz ging es darum, die skizzierten europäischen Entwicklungen aufzuzeigen und adäquate Datenschutzkonzepte zu diskutieren.

Die Chancen und Risiken der Gentechnik rufen zum Teil übertriebene Hoffnungen und zum Teil ebenso übersteigerte Ängste in der Bevölkerung hervor. Das gilt vor allem, wenn es um die Anwendung gentechnischer Methoden und Techniken auf den Menschen geht. Namentlich die Genanalysen sind Gegenstand einer weltweiten politischen Kontroverse, wobei – wie zumeist – gerade in Deutschland die ethischen, weltanschaulichen und rechtlichen Bedenken besonders stark ausgeprägt sind. Das 13. Wiesbadener Forum Datenschutz dient in diesem Rahmen der Problemanalyse auf dem speziellen Sektor des Datenschutzrechts. Da es mit der Problemanalyse nicht getan ist, wird zugleich die Entwicklung von datenschutzrechtlich akzeptablen Lösungen angestrebt. Zu diesem Zweck wird die Thematik in einem größeren, internationale Bezüge einschließenden Rahmen beleuchtet.