Kugelschreiber auf einem Formular

Irreführende Musterschreiben zu automatisierten Entscheidungen durch Auskunfteien

Derzeit werden auf verschiedenen Websites teilweise kostenpflichtige Musterschreiben für einen Widerspruch hinsichtlich der Verarbeitung personenbezogener Daten durch Wirtschaftsauskunfteien angeboten. Unter Bezugnahme auf das Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 7. Dezember 2023 in der Rechtssache C-634/2185Öffnet sich in einem neuen Fenster wird behauptet, dass die Tätigkeit von Auskunfteien und die Bildung eines sogenannten „Scorewertes“ vollständig unzulässig seien. Diese Interpretation des Urteils ist insofern irreführend, als sie den Eindruck vermittelt, dass betroffene Personen mit der Einreichung des Widerspruchs der jeweiligen Auskunftei die Datenverarbeitung generell untersagen könnten.

Ein generelles Verbot des Scorings ergibt sich aus dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs allerdings nicht. Insofern sind entsprechende Behauptungen in der Werbung für Musterschreiben irreführend.

Vielmehr hat der Europäische Gerichtshof die Tätigkeit von Auskunfteien in den Rn. 82 bis 86 und 93 seines Urteils unter Verweis auf Rechtsakte der Europäischen Union (u.a. Verbraucherkredit-Richtlinie und Immobilienkredit-Richtlinie) grundsätzlich gebilligt. Die Datenschutz-Grundverordnung (DS-GVO) und das Bundesdatenschutzgesetz (BDSG) lassen die Datenverarbeitung von Auskunfteien weiterhin grundsätzlich zu. Die Verarbeitung personenbezogener Daten durch Auskunfteien kann nach Art. 6 Abs. 1 UAbs. 1 Buchst. b und Buchst. f DS-GVO zulässig sein.

Mehrheitlich bewerten Wirtschaftsauskunfteien auf der Grundlage der von ihnen gespeicherten Daten die Kreditwürdigkeit von Kreditnehmerinnen und Kreditnehmern. Auf Anfrage potentieller Kreditgeber (bspw. Banken) übermitteln sie diesen in Form von „Bonitätsscores“ statistische Werte zur Wahrscheinlichkeit einer vollständigen und rechtzeitigen Rückzahlung eines Kredits.

Nach Art. 22 Abs. 1 DS-GVO hat jede betroffene Person „das Recht, nicht einer ausschließlich auf einer automatisierten Verarbeitung - einschließlich Profiling - beruhenden Entscheidung unterworfen zu werden, die ihr gegenüber rechtliche Wirkung entfaltet oder sie in ähnlicher Weise erheblich beeinträchtigt“. Die Erstellung und Verwendung eines Bonitätsscores hat der Europäische Gerichtshof als automatisierte Entscheidung im Sinne des Art. 22 Abs. 1 DS-GVO über den Kredit angesehen, sofern ihm die Kreditgeber „eine maßgebliche Rolle im Rahmen der Kreditgewährung beimessen“. Wann und wie der Bonitätsscore das Merkmal der „Maßgeblichkeit“ bei der Kreditvergabe erfüllt und ob ein schlechter Score folglich automatisch immer zu einer Ablehnung führt, ist jedoch von Fall zu Fall zu entscheiden und von der Praxis der Kreditgeber abhängig. Maßgeblich für eine Entscheidung ist eine automatisiert erstellte Information nur dann, wenn sie im Vergleich zu allen berücksichtigten Gesichtspunkten die Entscheidung überwiegend begründet hat. Genauere Kriterien für die Maßgeblichkeit müssen sich in der Rechtspraxis erst noch herausbilden. 

Stand: 21.05.2024

Kontakt

Sie haben Fragen zu diesem Thema? Dann kontaktieren Sie:

Frau Sonneborn, Herr Scherrer, Herr Thor, Herr Veit

Referat 2.3

Der Hessische Beauftragte für Datenschutz und Informationsfreiheit
Handel, Handwerk, Industrie
Referat 2.3
Postfach 3163
65021 Wiesbaden

Frau Sonneborn
Telefon: +49 611 1408-147

Herr Scherrer
Telefon: +49 611 1408-144

Herr Thor
Telefon: +49 611 1408-145

Herr Veit
Telefon: +49 611 1408-179